Nachdem es in Suakin außer exotischen bis deprimierenden Eindrücken wirklich nichts gibt, was einen dort halten könnte, haben wir Suakin am 22.03.2023 in aller Frühe beim ersten Licht verlassen.
Wir fragen uns sowieso, ob wir jemals im Sudan waren, denn im Pass hat es keine Stempel, unser „Onshore-Pass“ ist ein lächerliches Stück Papier, eine internationale Clearance gibt es auch nicht, sondern ein ebenso lächerliches „cruising permit“. Es spricht eher alles dafür, dass wir unter dem „Schutz“ der lokalen Mafia waren und offiziell niemals im Sudan waren….. Und es war insgesamt auch richtig teuer. Lokales Geld kommt grundsätzlich vom Agenten, der gleich mal 15% Provision einbehält. Und von jedem Boot 350 Dollar „Gebühr“ bekommt….Wir gehen davon aus, dass wir grundsätzlich in den Läden und am Markt mindestens das Doppelte bezahlt haben. Zumal die Preise grundsätzlich 1000 oder 2000 (sudanesische Pfund) bei uns waren, umgerechnet circa 1,50 Euro oder 3 Euro. Abweichende Preise waren äußerst selten….

Dummheit im Marsa Fijab

Nach Suakin soll die nächste Station Marsa Fijab sein, ein Inlet 60nm nördlich Suakin. Die Distanz ist sehr ungünstig, um irgendwie zu bester Zeit anzukommen. Angeblich wollen auch andere Boote dahin, aber erst Stunden nach uns starten…? Wir starten also um 5.15 Uhr und verlassen das trostlose Suakin. Mit uns geht die Fernweh 3, eine 54 Fuss Yacht ebenfalls vom TO. Der hat mich übrigens nach heftiger Kritik an den vereinsinternen sogenannten „Hygienemaßnahmen“ bei der Hauptversammlung 2022 kurzerhand raus geschmissen, obwohl diese Kritik nicht öffentlich geäußert wurde – was ich hiermit nun gerne nachhole. Wegen solcher Mitläufer ist das Corona Regime überhaupt erst möglich gewesen.
Wir wollten eigentlich in zwei großen Schlägen segeln, aber der versprochene Wind existiert schlicht nicht, dafür aber eine Landbrise, die sich teilweise segeln lässt, sonst geht es motorsegelnd dahin. Da wir in der Passage hinter den Riffen bleiben, hat es praktisch keine Wellen. Einen riesigen Tuna bekommen wir leider nicht an Bord, der reißt sich wieder los. Schade..
Statt der Landbrise gibt es später die dazugehörige Seebrise und wir können die letzten Meilen sogar wieder segeln. Um 15.30 Uhr sind wir an der Einfahrt des Inlet die nach Westen geht. Das ist das Problem….. gegen die tiefstehende Sonne.
Wir bereiten uns akribisch vor, das Satellitenbild in OpenCPN zeigt klar die Einfahrt, das nördliche Riff in der Einfahrt ist auch (noch) klar zu erkennen, aber eben nicht die vor uns liegenden Riffe….
Wir tasten uns vorsichtig hinein, das Wasser über dem Riff ist spiegelglatt. Die spiegelglatte Fläche dehnt sich plötzlich vor uns aus und ich interpretiere das als Riff und korrigiere etwas nach Backbord, und schon kracht es. Die Capitania, die im Bug steht, hat bis zum Auflaufen nichts gesehen, so „gut“ war die Sicht. Wir fahren uns nachdem wir zunächst frei kommen, ordentlich fest. Die Lage muss im Wasser begutachtet werden. Die Sicht im Wasser ist ebenfalls mies, kein Wunder, dass Bow nichts sah.
Ich markiere mal den hinter uns liegenden Boomie mit einer Leine und einer leeren 5l Wasserflasche, welche ich tauchend an einem Vorsprung befestige. Sobald der Propeller das Wasser aufwirbelt ist nämlich gar nichts mehr zu sehen. Es geht nur rückwärts wieder herunter, da hat es aber nur wenige Meter Platz, dann muss der Weg nach vorne erkämpft werden. So weit schon erkennbar hat es zwar reichlich Kratzer im Unterwasserschiff im Antifouling, aber keine ernsthaften Schäden.

Es geht also mit Maschine zurück, hinten ruft Clara Stop, Stop, ich gebe vorwärts, es knirscht noch ein paar Mal unter dem Kiel und wir sind frei!

Die Fernweh hat mittlerweile in der Einfahrt geankert, wir beschließen, über Nacht weiter zu fahren und in das Inlet Khor Shinab 90nm weiter im Norden zu gehen.

Was waren die Fehler?

Erstens. Gruppendymamische „Effekte“ durch ein zweites Boot dabei.
Zweitens. Dummheit, trotz eindeutiger Warnhinweise eine Einfahrt zu versuchen.
Drittens. Die Bildschirmhelligkeit am Notebook nicht auf maximal zu stellen, denn man sieht nichts vom Satellitenbild, wenn man von außen in der Sonne auf den Bildschirm schaut.
Viertens. Ein Crewmitglied wäre besser vor dem Notebook gesessen und hätte den Kurs mit Hilfe des Satellitenbildes kontrolliert, aber so haben alle „Ausguck“ gehalten – bei keiner Sicht wenig Erfolg versprechend.

Khor Shinab

Um zu vermeiden in Khor Shinab wieder zu falscher Zeit anzukommen, muss die Maschine etwas gequält werden, wir fahren geringfügig schneller als wir das normalerweise unter Motor machen. Wir brauchen einen Durchschnitt von 5,2 Knoten um bei bestem Licht einzulaufen. Es geht gegenan, glücklicherweise hat es kaum mehr als 10 Knoten Gegenwind.,

Kurz vor 12 Uhr sind wir da. Mittlerweile haben ich eine Route auf das Satellitenbild geplottet, die wir abfahren und visuell kontrollieren. So ist das natürlich kein Problem und wir kommen problemlos rein. Die Landschaft ist faszinierend, wir ankern in der Wüste. Abends taucht eine Herde Kamele am Ufer auf….

Zusammen mit der Crew der Fernweh 3 geht es am nächsten Tag zur Besteigung des Hügels am Ende der Bucht. An Land kommen ist die erste Aufgabe angesichts der zahlreichen Riffe…Die Aussicht vom Hügel ist fantastisch, ein skurriles Erlebnis.

Nach dem Mittagessen geht es noch zum Schnorcheln, wir nehmen Heike von der Fernweh mit. Leider ist das Wasser nicht ganz klar, und da wo Heike und Clara im Riff schnorcheln, wollen wir uns mit dem Dinghi nicht hintreiben lassen. Nicht schon wieder fest sitzen! Wir lassen uns mehrere 100m am Riff entlang treiben, es hat Wind und erstaunlicherweise kräftige Strömung.
Nach dem Schnorcheln tauche ich das Schiff nochmals ab. Keine großen Schäden, keine Beule, Kratzer im Antifouling, nur am Kiel fehlt Farbe in größeren Bereichen vorne. Was hat Ruben immer gefragt, der Schweißer, der die Kielreparatur in Portimao gemacht hat: „Sir, do you want to build a warship?“ Alles ist im Kielbereich hoffnungslos überdimensioniert, so haben die Seiten 12mm Stärke, die Bodenplatte 25mm, die Anströmkante vorne besteht aus 60 mm Rundstab-Vollmaterial….. gut geplant!

Bevor wir zum Wandern aufbrechen sehen wir noch die ADELANTE einlaufen. Die verschwindet nachmittags schon wieder, wir funken was und warum. Sie wollen, bevor wirklich mieses Wetter mit Nordsturm kommt möglichst weit nach Norden. Sonst sitzt man hier noch länger fest, was nicht schlimm wäre, aber die Versorgung mit Lebensmitteln ist suboptimal und der Weg durch Ägypten ist lang. Wir sind noch 40nm von der Granze entfernt. Wir werden wohl in Ägypten gar nicht einklarieren, zumindest nicht in Port Ghalib oder Hurghada, wo die Mafia 2000 USD dafür haben möchte. Eventuell passieren wir den Suez Kanal sogar, ohne in Ägypten einzuklarieren.
Das Wetter ist grenzwertig, den es soll ein Windfeld mit 18 Knoten durchgehen, da ist gegenan schon grenzwertig. Wir beschließen trotzdem, auch einen Blitzstart durchzuführen.
Daraus wird nichts, denn bei der Motorkontrolle entdeckt die Capitania als Chief engineer fehlendes Kühlwasser und sogleich auch die Ursache dafür. Es hat die Dichtung an der am Motor angeflanschten Wasserpumpe heraus gehauen, als wir im Riff mit Vollgas operiert haben, um frei zu kommen. Das ist schon mal passiert, als wir mit Vollgas einem Frachter ausweichen mussten, der uns absichtlich auf dem Weg von den Azoren nach Madeira nahe kam. Der hatte ständig seinen Kurs in unsere Richtung geändert. …
Die Wasserpumpe ist am Motor in Fahrtrichtung vorne angeflanscht, also zuerst mal alle Schubladen und Verkleidungen abbauen. Das haben wir extra optimiert und das geht fix. Keilriemen abbauen, Pumpe abbauen, alles reinigen, entfetten, mit Dirko wieder zusammen bauen, warten…. Wir geben uns reichliche 3 Stunden, System befüllen, der Probelauf ist erfolgreich. Scheint dicht zu sein.

Auf nach Soma Bay

Wir verlassen das Inlet in stockfinsterer Nacht auf unserem aufgezeichneten Track, mit zwei unabhängig voneinander arbeitenden Systemen zur Sicherheit. Die ADELANTE und die Fernweh 3 haben fast 40nm „Vorsprung“. Ist uns egal, es läuft eh besser, wenn wir unser eigen Ding machen.

Wir motoren durch die Nacht und segeln alsbald in großen Schlägen zwischen Ägypten und Saudi-Arabien gen Norden. 6 Mal geht es insgesamt durch die traffic lane der Großschifffahrt. Alle sind superfreundlich und hilfsbereit, wenn es mal eng wird. Am besten ist es, dem Wachführer auf dem Cargo gleich eine Lösung vorzuschlagen, „we prefer starboard to starboard“ z.B..
Statt den angekündigten 18 Knoten Wind hat es 23 Knoten wahren Wind. Es rockt gewaltig gegenan, wir fahren unter Sturmfock und Reff 2 im Groß immer noch über 5 Knoten gegenan..Unsere Mitseglerin wird seekrank und fällt einige Stunden komplett aus. Nach 12 Stunden ist der Spuck vorbei und es hat nur noch 14 Knoten, ideal um gegenan zu bolzen. Wir haben auf den Wetterprognosen gesehen, dass der Wind nachmittags in Küstennähe (Ägypten) vermutlich durch Landeinflüsse der sich aufheizenden Wüste auf NO dreht, also heißt es, das konsequent auszunutzen.
C
lara bringt es später fertig, an einem Tag zwei katastrophale Überläufer auf die Winschen zu bekommen. Das haben wir in 5 Jahren nur ein Mal geschafft! Es ist das hektische Arbeiten der Jugend ohne Überlegung und wenn was schwer geht, wird einfach mit der Winsch weiter gekurbelt – ohne zu checken, wo eigentlich das Problem ist.

Gegen Ende müssen wir noch 60nm motoren und motorsegeln und kommen in der Soma Bay um die Mittagszeit an. Die Navionics Karten taugen gar nichts, die Satellitenbilder sind schon hilfreicher, aber wir sind ja eh zur besten Zeit an der Einfahrt, also alles kein Problem. Es ist wirklich übles Wetter angesagt, 3 bis 4 Tage zwischen 25 Knoten und 35 Knoten Wind. 2 Niederländer liegen auch schon da, auf die „Incentive“ gehen wir nachmittags zum Schwatzen. Die empfehlen uns, die Rollanlagen in Plastiktüten einzupacken, da mit Sandsturm zu rechnen sei.

Am nächsten Tag gehen richten wir zuerst mal das Groß, wo zwei Latten zu wenig Vorspannung haben und verstauen alles sturmsicher. Dann wird aus den Kanistern aufgetankt bevor es dann zum Schnorcheln geht. Es geht gerade noch so, der Wind hat schon deutlich zugenommen. Zum Ankern mit dem Dinghi ist es zu tief, aber wir dürfen an Tauchbooten fest machen, alle sind super hilfsbereit. Zurück zum Ankerplatz nimmt das Dinghi 50 l Spritzwasser. Bow hat die Taucherbrille auf – beim Dinghi fahren! Sagt schon alles….. Der Gegenbesuch auf der MUFFET fällt bereits dem Sturm zum Opfer.

Sturm in der Soma Bay

Volle 2 Tage kachelt es mit über 30 Knoten, Spitzenwerte von 38 und 42 Knoten werden gemessen. Außen und teilweise Innen ist alles voll mit feinstem Flugsand. Der Ankerplatz ist nicht optimal, da bei etwas Drehung des Windes auf West ein recht langer Fetch vorliegt und die Wellen dann schon beachtliche Höhen erreichen.
Bevor der Sturm losgeht besorgt uns Ibrahim von der Surfschule noch diverse Sachen aus dem Supermarkt, nun ja, sagen wir mal zum 6 fachen der Lidl Preise….
Wir dürfen ja nicht an Land, da wir nicht einklariert haben. Der Hafen ist gerade mal 100m weg, hätte auch freie Plätze, aber….geht ja nicht. Zudem haben die Null Interesse, Yachten in ihren (privaten) Häfen zu haben. Das Beiboot der 96m langen Luxusyacht mit Helikopter, die einen Kilometer weiter ankert, zahlt jedes Mal beim Anlegen 150 USD. Das ist das Niveau, welches die Ägypter gerne haben…

Am Tag 3 wird der Wind nun etwas weniger, es hat noch teilweise um die 25 Knoten. Wir frieren entsetzlich. Es hat gerade noch (angeblich) 17 Grad morgens. Die Capitania hat Handschuhe an. Lange Hosen und Socken sind selbstverständlich.
Wir planen die nächsten 200nm zum Suezkanal am Sonntag anzugehen.
Aktuelle Planung ist, Limassol auf Zypern anzulaufen, das sind von Port Said am Nordende des Suezkanals gerade mal 200nm.