Nachdem wir 4 Tage im Sandsturm sitzen in Soma Bay mit bis zu 42 Knoten Wind wird es allmählich besser. Wir planen bei abflauendem Wind möglichst weit nach Nordosten zu segeln und dann bei Null Wind den Rest bis Suez zu motoren.
Abends vor der Abfahrt taucht dann bei Einbruch der Nacht plötzlich Ibrahim auf und bringt 2 kg Karotten und 1 kg Gurken plus 5 Dosen Thuna zum Preis von 45 USD. Ägypten halt. Land der Gangster. Und er bringt 140l Diesel. Nicht wie bestellt in unseren Reservekanistern, sondern in einem 80 l Kanister und einem 60l Kanister. Dazu ist natürlich unser Schüttelschlauch zum Umpumpen zu kurz, wir konstruieren in der Nacht eine elektrische Umpumpmöglichkeit – die geht aber nur in den 80l Kanister, im 60 l Kanister ist die Öffnung zu klein. Es ist gibt eine gigantische Diesel-Sauerei auf dem Schiff. Es ist ja gut gemeint, aber soooo war es definitiv nicht bestellt. Und der Diesel stinkt wahrhaft bestialisch.
Irgendwann in tiefster Nacht und noch bei kräftigem Wind ist dann auch das überstanden. Statt zeitig ins Bett und ausschlafen ist putzen angesagt.

Am nächsten Morgen geht es zeitig los, der Wind schwächelt viel früher als angekündigt. So circa 40nm können wir segeln, mitten in der traffic lane der Großschifffahrt hört der Wind dann auf. Nichts ist es mehr mit „Vorfahrt“ (Kurshaltepflicht) für Segelboote, da wir nun unter Maschine laufen. Wir peilen den rechten Rand des Verkehrstrennungsgebietes an und fahren teils knapp außerhalb, wegen Unmengen Fischerbojen dann aber zunehmend knapp innerhalb der traffic lane. Obwohl Clara die Anweisung hat „innen“ zu fahren, ist das Boot außerhalb beim Wachwechsel…. Die dämlichen Ausreden, warum das so ist („da war gerade eine Kurve“) interessieren mich genau Null, ich muss mich stark zurück halten, denn das ist ein vorsätzlicher Verstoß gegen eine Anordnung des Kapitäns. Wenn wir nicht mitten in dem beschissenen Ägypten wären, dürfte unsere zusätzliche Crew sofort aussteigen.
Der ganze Golf von Suez ist im Prinzip ein einziges Ölfördergebiet. Und plötzlich fahren wir mehrere Kilometer durch eine circa 1 bis 2 cm dicke Ölschicht. Widerlich. Aber dann die ganze Küste vom Sudan her als „protected areas“ auszuweisen, um die Yachten in die unverschämt teuren Marinas zu zwingen…., wo einem dann 1200 USD für das Einklarieren abgeknüpft werden. Natürlich gibt es da alle paar Meilen ausreichende Sandflächen, um folgenlos für die Korallen zu ankern – es ist nicht gewollt.

Wir kommen bei Sonnenaufgang in Suez an. Nach ungefähr 25 Anrufen meldet sich dann auch mal Port Control Suez. Es macht es auch nicht besser, dass es den großen Cargos nicht anders ergeht. Wir sollen rein fahren und bei Kilometer x links in den Suez Yacht Club.
Denkste. Als wir einen riesigen Containerfrachter passieren, geht der Anker auf, es wird eng. Der Lotze blufft im Funk, Port Control ist nun aufgewacht und lässt uns nun in E1 in der waiting area ankern… Das tun wir auch, dann trudeln auch die zwei Holländer ein. Das gleiche Spiel, keine Antwort. Dann Antwort: 4,5 Stunden lassen sie uns nicht weiter fahren, dann fragen die Holländer beim Agenten nach, was zu tun ist. Der sagt, wir sollen auch ohne Genehmigung rein fahren. Wir starten also dicht gestaffelt in eine Lücke mit der ebenfalls einfahrenden Großschifffahrt. Natürlich geht das schief, da die Ägypter gar nicht daran denken, den Abstand zwischen zwei großen Cargos minimal zu vergrößern, damit wir wieder aus dem Kanal zum Yacht Club abbiegen können. Ein bisschen gehupe, es ist natürlich breit genug. Auf Höhe der Abzweigung versperrt dann ein quer stehendes Pilotboot die Weiterfahrt und zwingt uns zum Yachtclub. Da wollen wir ja sowieso hin. Ärger gibt es keinen. Es ist einfach mieseste Organisation hier.
Am Yachtclub müssen wir zwischen zwei Bojen festmachen. Bei uns kein Problem, ein Holländer hat die Leine im Ruder oder Propeller. Da wir die einzigen mit einsatzbereitem Dinghi sind, heißt es ausrücken. Nach einer halben Stunde hängt auch der Niederländer zwischen den Bojen.

Dann wird das Boot „vermessen“, d.h. es werden Maße erfunden, um die Transitgebühren in die Höhe zu treiben. Das Ergebnis wird dann in „Tonnen“ ausgewiesen, die bei kleinen Booten 100 % über der angegebenen Tonnage liegen, bei größeren Sportbooten auch noch deutlich darüber. Nun ja, ägyptische Tonnen halt. Vermutlich wird die Tonnage als Kubus berechnet. Egal. Es ist wie es ist….
Die Rechnung gibt es erst kurz vor der Abfahrt. Warum nur?

Nachts ist Wind angesagt. Der kommt auch, bei der ersten Bö mit gerade mal 12 Knoten reißt die Mooringleine unter der Boje. Es dreht uns herum, knapp an den anderen vorbei. Ich alarmiere den Agenten, der das Marina Personal und dann müssen wir mitten in der Dunkelheit inmitten zahlreicher Bojen und Leinen bei reichlich Wind umparken – sicher meine Lieblingsbeschäftigung! Ich bin stocksauer ob dermaßen schlampiger Ausstattung hier. Es ist zudem saugefährlich, wenn das im Schlaf passiert und die zweite Mooring auch reißt, treibt es uns entweder in die anderen Boote oder noch schlimmer in den Suezkanal, wo rund um die Uhr Betrieb ist und die Großen dann nur über einen drüber fahren können – und das auch machen würden. Stoppen geht ja für so einen Kahn nicht so ohne weiteres, zudem würde der sofort stranden.
Morgens dann die Rechnung: 626 Dollar, zu den Kanalgebühren kommen noch zahlreiche „Fees“. Wir zahlen 605 USD, denn die Marinagebühren zahlen wir nicht. Ich weigere mich schlicht für lebensgefährliche Übernachtung auch noch zu zahlen. Der Agent sagt, dann dürfen wir nicht weiter fahren. Ich sage ihm, ist mir egal, ich fahre, ob mit Lotsen, ohne Lotsen, mit Erlaubnis oder ohne. Die anderen legen einer nach dem anderen ab, der Lotse meint, wir sollten die 21 Dollar bezahlen, da sage ich meinen Mädels, sie sollen die Leinen einholen und fahre einfach los. Hektisches telefonieren, okay, ich soll in Ismailia den Chef der Marinaverwaltung anrufen. Wir fahren hinter den anderen her. Die Runde geht an mich.

Die Fahrt durch den Kanal ist ziemlich langweilig. Der Kanal ist viel enger als der Panama Kanal. Der einzige Aufreger ist, als Clara den Piloten fragt, ob er mal fahren kann. Genau DAS hatte ich verboten! Ich frage mich, was da in der Oberstube abgeht….?? Ich sitze auch noch daneben… Es gibt einen richtigen Anschiss dieses Mal. Jetzt reicht es aber!
Im Bittersee liegen zahlreiche Schiffe, die neu zu Konvois zusammengestellt werden.

Wir fahren zum Ismailia Yacht Club. Das ist eine Baustelle, da gibt es schlicht – nichts. Wir liegen im 4er Päckchen in 2 Reihen hintereinander. Gefährlich bei Südwind.
Es warten schon drei Boote hier, die durften nämlich nicht weiter, weil ein amerikanisches Kriegsschiff den Kanal passiert hat. Da dürfen dann nur amerikanisch geflaggte Sportboote gleichzeitig unterwegs sein. Geisteskranke Amis. Haben hier sowieso gar nichts zu suchen und machen dann noch Theater. Bei den Franzosen ist allerdings genau so. Bei allen anderen ist das Risiko, dass das Kriegsschiff von einem Segelboot versenkt wird, anscheinend akzeptabel, erklärt uns der Pilot.

Komischerweise funktioniert mein Handy in Ismailia leider nicht. Von den wartenden Yachten erfahren wir, dass wir hier zum Essen ins Restaurant gehen können, wenn das der Chef der Marina organisiert. Der kommt dann auch reichlich spät mit einem der angeblich bei der Immigration arbeitet…. wie auch immer, wir sind im Restaurant. Dort gibt es leider nichts, der Koch ist wegen Ramadan schon zu Hause. Aber man kann extern bestellen. Das ist ein schreckliches Chaos, aber schon nach 1 Stunde steht die Bestellung. Pizza soll super sein. Also Pizza für alle…
Pizza kommt, eher die Dicke eines Käsekuchens mit 1 cm dickem Käse darauf. Der Magen rebelliert schon beim Anblick…… Tapfer kämpfen wir uns durch verschiedene Pizzen, die mit Hackfleisch ist okay. Auch das Erstellen der Rechnung dauert ca 1 Stunde, wir sind hundemüde. Schlechte Voraussetzungen zu einem Blitzstart morgen nach dem Kanal Richtung Kreta.
Wir erfahren noch dass es um 9 Uhr für alle losgehen soll. Prima.

Um 9 Uhr sind keine Piloten da. Es geht das Gerücht um, dass es nur 3 Piloten gibt für die Boote die schon einen Tag warten mussten.
Um 9.30 Uhr geht es los. Und zwar mit Interviews der Segler durch lokale Größen, Vertreter der canal authority und das Fernsehen ist glaube ich auch da. Prima,wir haben es ja nicht eilig. Ich ziehe es vor, an Bord zu bleiben. Es könnte auch unerwünschte Bemerkungen geben….
Tatsächlich tauchen kurz nach 10 Uhr alle notwendigen Piloten auf, jetzt muss alles ganz schnell gehen. Maschine an und los!
Wir liegen ganz außen im Päckchen und sind nun logischerweise die ersten. Ein bisschen mehr aufpassen als gestern also, wo wir nur hinterher fahren mussten.
Eine ereignislose Fahrt durch den Kanal. Der Pilot erzählt, dass regelmäßig Fischer in ihren Minibötchen von Frachtern überlaufen werden. Wundert uns nicht, oft sind es nur wenige Meter bis zur Bordwand… Und so ein 400m langes Containerschiff 60m breit ist schon ein Monster.

In Port Said wird der Pilot in Fahrt von einem Pilotboot abgeholt. Das klappt wunderbar, wir sollen uns an die roten Bojen halten. Die werden allerdings wenige Meter weiter grün, ups, der Pilot war vermutlich noch nie hier. Zudem ist die betonte Fahrrinne noch schmaler als der Kanal, das fühlt sich mit der von achtern kommenden Großschifffahrt nicht gut an. Deswegen verlassen wir so bald es 5 m unter dem Kiel hat, sofort das Fahrwasser und fahren daneben. Alle anderen hinterher natürlich. So ist es gemütlicher. Am Ende des Ansteuerungsfahrwasser geht die MUFFET als einzige Nordkurs, alle anderen folgen der Großschifffahrt. Ein amerikanisches Kriegsschiff fordert ein Cargo zum Frequenzwechsel auf. Antwort: I do not change frequency, (in Panik) give your warship speed, give your warship speed! Immediatly! Die amerikanischen Schwachköpfe fahren hier mit einem kleinen Verband ohne AIS mitten in einem extrem stark befahrenen Gebiet weitgehend unbeleuchtet herum….. Auch uns kommen sie nahe. Ich habe schon das Funkgerät in der Hand, um einige wirklich unfreundliche Worte los zu lassen, da dreht das Kriegsschiff in gerade 500m Entfernung ab. Volldeppen.

Wir wollen das kleine entstehende Tiefdruckgebiet optimal ausnutzen. Das klappt auch, erst mit achterlichem Wind, ausgebaumt, super. Dann mit Maschine durch das Zentrum und nach 30 bis 45 Minuten geht es schon wieder unter Segel mit NE Wind weiter. Perfekt. Da wir für 460nm nur 3 Tage Zeit haben muss es flott gehen. Wenn wir zu langsam werden, muss sofort das Eisensegel mit ran.
Wir fahren mitten durch ein Ölfeld, aber die Förderanlagen stehen viele Meilen auseinander. Eine aufgelassene Anlage ist nicht beleuchtet, ähm?? Auf dem Radar natürlich problemlos zu sehen, das riesige Monster. Ein von Clara als weit entfernte „Bohrplattform“ identifiziertes Licht entpuppt sich sich als massives Fischerboot, das auf uns zuhält und wirklich nicht mehr weit weg ist…. Kommt vor. Noch einige blinkende Bojen von Fischern und wir sind allein.

In der Nacht bevor wir Kreta erreichen werden taucht die ADELANTE, die 50 Fuß Sun Odysee, im AIS auf. Hinter uns und weiter im Süden. Also kann unsere Taktik nicht ganz falsch gewesen sein.

Es hat recht schwachen Wind, für uns Halbwind, die ADELANTE muss etwas höher an den Wind. Da wir so mit drei Segeln besser laufen als das viel größere Boot, wird der Abstand auch nicht mehr kleiner bis zur Ankunft in der Marina Agios Nikolaos auf Kreta. Wir machen zuerst längsseits fest, dann müssen wir gleich umparken – in die denkbar engste Gasse hinein. Dass es hier nicht kracht beim Einparken grenzt schon fast an ein Wunder. Mehrfach hat es links, rechts und vorne nur einen halben Meter Platz. Sie legen viel zu große Boote hier rein!
Nach dem Festmachen gibt es nur eines: Ab ins Restaurant! Wir genießen griechische Gastfreundlichkeit und haben eine richtige Gier nach gegrilltem Fleisch. Davon gibt es hier im Restaurant ja genug!

Beim Einklarieren geht es mal wieder etwas durcheinander. Wir sollten zuerst zur Touristenpolizei, werden aber von der Marina zur Port Police geschickt. Unsere Beine wollen noch nicht so recht wieder, jeder Schritt ist noch eine kleine Qual.
Abends gehen alle aus Ägypten Ankommenden nochmals zusammen ins Restaurant. Ein gelungener Abschluss des Abenteuers Suez Kanal.

Leider sitzen wir erst mal fest hier (was ja nicht soooo furchtbar ist in Griechenland) – wir hatten einen minimalen Verlust von Hydrauliköl und bei der Suche nach dem Leck festgestellt, dass der Steuerzylinder leckt. Wahrscheinlich würde das noch viele Meilen gehen, aber wir gehen lieber auf Nummer sicher. Der Zylinder wird getauscht, nachdem wir hier keine Firma gefunden haben die eine Reparatur durchführen kann.